Präimplantations-Diagnostik PID
«Die PID ermöglicht die Diagnose von genetischen Veränderungen beim Embryo. Eine schwere familiäre Erkrankung wird so nicht an die Nachkommen weitergegeben.»
Die Präimplantations-Diagnostik (englisch: Preimplantation Genetic Diagnosis; PGD) ist eine genetische Untersuchung von Embryonen vor dem Eintritt der Schwangerschaft, d.h. vor der Implantation. Dies ist bei Paaren mit einer bekannten familiären genetischen Erkrankung gemäss dem Schweizer Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG), Stand September 2017, möglich. Sie bleibt jedoch auf schwere Erkrankungen beschränkt. Die PID setzt die Kenntnis der familiären genetischen Veränderung voraus. Dies bedeutet, dass diese vorab bei der erkrankten Person identifiziert werden muss, ebenso wie der Vererbungsgang in der Familie und damit das Erkrankungsrisiko weiterer Nachkommen. Es kann sich dabei um eine monogene Erkrankung handeln, bei der eine Mutation in einer Erbanlage (einem Gen) ursächlich für die Erkrankung ist, oder eine familiäre Chromosomenstörung.
Die genetische Untersuchung an Embryonen ist labortechnisch anspruchsvoll. Um eine hohe Sicherheit des Ergebnisses zu gewährleisten müssen auch Blutproben des Paares, aber idealerweise auch von den Grosseltern oder den Geschwistern zur Verfügung stehen. Die Vorbereitungen im molekulargenetischen Labor können je nach Fragestellung mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Die komplexen Zusammenhänge bei genetischen Erkrankungen und deren Labordiagnostik erfordern vorgängig eine umfassende genetische Beratung des Paares. Dies wird auch im Fortpflanzungsmedizingesetz gefordert. Die Beratung dient auch der Entscheidungsfindung in der sehr persönlichen und individuellen Situation und ist daher von grosser Bedeutung.
Nach einer gründlichen Vorbereitung erfolgt die PID im Rahmen einer Behandlung mit der assistierten Reproduktionsmedizin. Um eine genügende Anzahl Eizellen für die PID zu gewinnen, wird eine hormonelle Stimulationsbehandlung zwecks Bildung einer ausreichenden Anzahl von Eibläschen (circa 15) durchgeführt. Nach dem erfolgreich eingeleiteten Befruchtungsvorgang werden bis zu 12 Eizellen im Labor weiter entwickelt. Nicht jede Eizelle im Vorkernstadium entwickelt sich dabei zu einem implantationsfähigen Embryo. Circa die Hälfte der zunächst befruchteten Eizellen erreicht nach 4-5 Tagen das Einnistungsstadium, die sogenannte Blastozyste.
Aus jeder dieser Blastozysten werden einige Zellen aus dem äusseren oberflächlichen Bezirk des Embryos entnommen. Diese Zellen werden anschliessend mit den zuvor vorbereiteten Gensonden untersucht. Alle biopsierten Embryonen im Blastozystenstadium werden mit einem eindeutigen Code versehen und kryokonserviert.
Die genetische Untersuchung der gekennzeichneten Proben wird danach im molekulargenetischen Labor durchgeführt. Sobald das Ergebnis dieser Analysen und somit der PID vorliegt, wird dem Paar mitgeteilt, wie viele und welche der biopsierten Embryonen die krankheitsverursachende Veränderung haben und welche nicht.
Im Rahmen eines hormonell vorbereiteten Menstruationszyklus wird eines der getesteten Embryonen aufgetaut und zu einem exakt berechneten Zeitpunkt in die Gebärmutter übertragen. Nach ca. 10 Tagen kann ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden.
Selbst unter optimalen Bedingungen, kann die PID keine hundertprozentige Sicherheit bieten. Deshalb wird bei einer Schwangerschaft nach PID empfohlen, das Ergebnis durch eine invasive Pränataldiagnostik (z.B. Chorionzottenbiopsie ab der etwa 11.Schwangerschaftswoche) zur Bestätigung durchzuführen.
In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, nicht Embryonen, sondern Eizellen zu untersuchen.
Die PID, d.h. die Untersuchung von Embryonen, ist in der Schweiz oben genannten strengen gesetzlichen Anforderungen unterworfen.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt und kommt die Erbkrankheit von der mütterlichen Seite her, kann die genetische Konstellation in der Eizelle ermittelt werden. Diese genetische Untersuchung wird als Polkörperdiagnostik (PKD) bezeichnet und wird analog zur oben geschilderten PID durchgeführt. Da bei der PKD für die gleiche Information mehr Eizellen gewonnen und genetisch analysiert werden müssen, ist die PKD aufwändiger.
Bei bestimmten Erkrankungen, die geschlechtsgebunden vererbt werden, ist es möglich, Spermien aus dem Ejakulat herauszufiltern, die entweder ein X- oder ein Y-Chromosom tragen und gezielt diese Spermien für die Befruchtung zu verwenden.
Wir möchten Ihnen die Zusammenhänge und die Technik in den folgenden Abschnitten erklären:
Beim normalen Befruchtungsvorgang wird die reife Eizelle, die immer ein X-Chromosom trägt, von einer Samenzelle, welche entweder über ein X- oder über ein Y-Chromosom verfügt, befruchtet. Wenn die Eizelle von einer Samenzelle mit einem X-Chromosom befruchtet wird, entsteht daraus ein weiblicher Embryo. Wenn hingegen die Eizelle von einer Samenzelle mit einem Y-Chromosom befruchtet wird, entsteht ein männlicher Embryo. Ob die Eizelle von einer Samenzelle mit einem X- oder mit einem Y-Chromosom befruchtet wird, geschieht in der Natur rein zufällig. Liegt eine krankheitsverursachende genetische Veränderung auf dem X-Chromosom, wird sie in der Regel bei männlichem Geschlecht manifest, Frauen sind häufig nicht oder nur mild betroffen, weil sie ein zweites X-Chromosom haben. Sie sind jedoch Überträgerin der Erkrankung.
Wird nun eine Eizelle der Mutter mit einer X-gekoppelten Veränderung mit einer Samenzelle mit einem Y-Chromosom befruchtet, wäre der Sohn in der Regel erkrankt. Wird diese Eizelle hingegen von einer ein X-Chromosom tragenden Samenzelle befruchtet, wäre die Tochter Überträgerin der Erkrankung und nicht oder milder erkrankt. Beispiele für X-Chromosom-gebundene Erkrankungen sind die angeborene Muskelschwäche, die Bluterkrankheit, das Fragile X-Syndrom sowie einige Stoffwechselerkrankungen. Die Trennung von X- und Y-Chromosom-tragenden Samenzellen vor der Befruchtung kann somit das Risiko für erkrankte Nachkommen senken.
Das X-Chromosom ist deutlich grösser als das Y-Chromosom. Die unterschiedliche Menge an genetischem Material in X-Chromosom und Y-Chromosom Samenzellen bietet eine Möglichkeit diese voneinander zu unterscheiden und zu trennen. Hierzu wird die Desoxyribonukleinsäure (DNS) im Zellkern der Samenzellen so gefärbt, dass die Menge an DNS genau gemessen werden kann. Diese Färbung muss vollkommen reversibel sein, um sicherzustellen, dass durch die Färbung der DNS keine Schäden am genetischen Material entstehen können. Mit einer Hoechst 33342-Färbung kann die DNS im Zellkern der Samenzellen reversibel markiert werden, so dass der 2.8% Unterschied zwischen X- und Y-Chromosom tragenden Samenzellen nachweisbar wird.
Mittels der FACS-Apparatur kann eine ausreichende Anzahl X-Chromosom-tragender Samenzellen von den Y-Chromosom-tragenden Samenzellen getrennt werden. Mit diesen sortierten Samenzellen wird anschliessend der Befruchtungsvorgang durchgeführt.
Im Falle von X-Chromosom-gebundenen Erkrankungen kann die Sortierung von X-Chromosom tragenden Samenzellen bei einer geplanten PID die Befruchtung in Richtung weiblicher Embryonen lenken. Durch die Sortierung von Samenzellen kann die Entstehung überzähliger Embryonen verringert werden. Dieses ist besonders bei jenen Paaren hilfreich, bei denen trotz Stimulationsbehandlung nur wenige Eibläschen heranreifen und somit nur wenige Eizellen für die PID zur Verfügung stehen.